Dienstag, 13. Oktober 2015

Mit dem Wasserflugzeug zur Knight Inlet Lodge: Wildnis mit Grizzlies

Zurück in der Zivilisation und mit dem Internet verbunden, hole ich jetzt die im Blog fehlenden Reisetage nach.
10. Oktober:
Knight Inlet ist ein infolge der Eiszeit entstandener Meerarm, der von der Inner Passage zwischen Vancouver Island und dem Festland abgeht und etwa 80 Kilometer nordöstlich von Campbell River liegt. Der Inlet ist mit dem Fahrzeug nicht zu erreichen, die Straßen von Vancouver nach Norden enden etwa 300 km südlich.

Das Inlet muss man sich vorstellen wie einen etwa 120 km langen Fjord, aussehend etwa wie ein angewinkelter Arm. In der Nähe des Ellenbogens fliesst der Glendale River bei der Glendale Cove in den Knight Inlet. Der Glendale River ist einer der ergiebigsten Lachsflüsse Kanadas gewesen. Nicht weit von unserer Lodge stand eine Cannery, also eine Lachs in Dosen-Fabrik. Zugänglich nur mit dem Boot , sorgte die Dosenfabrik bis 1912 für reges Leben in der Glendale Cove. Heute sieht man an der Lodge die noch die ehemaligen Pfosten der Anlegestelle. Auch eine Logging Dumping Station befand sich an der Cove, wurde aber vor 18 Jahren aufgegeben. Das ist der Ort, wo die gefällten Bäume ins Meer gerollt werden, um dann zur Weiterverarbeitung geflößt zu werden.
Heute kann man nichts mehr davon erkennen, alles ist wieder zugewachsen. Unser Lodgeeigentümer wollte das Land vor mehr als 20 Jahren aufkaufen, da die Wasserrechte mit den Rechten des höhergelegenen Landes verknüpft sind. Das hat die Verwaltung in Kanada allerdings nicht gemacht und sie hat stattdessen die Logging-, also die Holzschlagrechte verkauft. Immerhin erzielt eine große Rot-Zeder rund 40.000 CanD.
Als der Primärwald abgeholzt war, hat die Lodge das Land dann für 99 Jahre erbpachtähnlich doch noch bekommen.

Heute gibt es also in Glendale Cove nur noch die Lodge und die Natur hat sich alle Lebensräume zurückerobert. Wie überall aber, wo abgeholzt wurde, ist durch die dann erfolgte Erosion der Böden das Wasser voller Sedimente gewesen und hat die Lachsvorkommen beeinträchtigt. In mühevoller Kleinarbeit fischt man heute den Lachslaich aus dem Fluss, transportiert ihn in eine Brutstation auf dem Festland, sortiert den Winter über abgestorbene Eier mit der Hand einzeln aus und bringt dann die kleinen Fische zur Lodge, wo sie nach und nach wieder in den Fluß eingesetzt werden. Der Cobo-Lachs lebt hier und die Bestände konnten so wieder aufgepäppelt werden. Heute ist der Glendale River lachsreich und daher ein besondererAnziehungspunkt für Bären, vor allem Grizzlies. Zudem wachsen an den Hängen der Berge unendlich viele Beeren, Huckleberries, Salmonberries, Blueberries und Salal. Bevor die ersten Beeren ab Juni reif sind und im Spätsommer die Lachse kommen, fressen die Bären die Blütendolden und die Wurzeln des Sumpfgrases im Mündungsbereich (Estuary) des Glendale River. Die Lodge kauft zudem für 25.000 CanD die Grizzliejagdrechte im Bereich auf und den Grizzlies ist offenbar aufgefallen, dass sie hier in Ruhe gelassen werden. Daher findet man hier so viele. Außerdem gibt es Coastal Wolves (Küstenwölfe), Pumas und natürlich Schwarzbären.

Wir sollen -um zur Lodge zu kommen-am Morgen  um 9 Uhr ab Campbell River  starten und fragen uns, ob wegen der Sturmwarnung überhaupt Flüge durchgeführt werden. Aber kein Anruf, keine Mail der Lodge, es scheint also planmäßig loszugehen. Wir fahren zu einem Arm des  Campbell River, der hier in das Meer mündet; dort ist der Wasserflugzeug-Flughafen. Und tatsächlich werden zwei De Haviland Machinen gerade fertig gemacht. Unser Gepäck wird auf einen Handwagen geladen und mit einer Winch die Rampe zum Flugzeug hinuntertransportiert. Rucksäcke und Kleingebäck wird extra gewogen, denn das wird in den Schwimmkufen verstaut, die Koffer und Lebensmittelkisten kommen in das Heck des Flugzeugs. Als der Pilot fragt, wer den Copiloten spielen möchte, habe ich mich schnell gemeldet. Der etwa 50-jährige Buschpilot sah aus, als könnte man ihn für eine Lufthansawerbung casten, das Flugzeug sah im Cockpit so aus, als sei es schon in den 50er Jahren geflogen. Ich kann eigentlich nichts falsch machen, der einzige Schalter in Reichweite ist die Heizung. Wenn ich da mit dem Knie gegen komme, wird es höchstens kalt in der Kabine. Über einen Kopfhörer mit Mikro bekomme ich den Sprechfunkverkehr mit und kann mich auch mit dem Piloten unterhalten. Er sagt, dass er am allerliebsten Wasserflugzeug fliege, da praktisch überall für alle Fälle eine Landebahn greifbar sei. (In der Tat ist hier alle 200 Meter Meer, ein Fluß oder ein See).

Fototechnisch bringt der Copilotensitz leider nicht viel, da das Fenster nicht nur beschlagen (kann man ja wegwischen), sondern von außen völlig mit Regentropfen bedeckt ist. Die oberen 2 Zentimeter gehen nicht mehr zu, da sprüht mir der Regen ein bisschen ins Gesicht. Von unten sieht man auch nicht viel, da überall graue Schleiern hängen, 50 Shades of Grey und das wird auch so bleiben. Ab und zu taucht schemenhaft ein Berg auf. Ich würde den Piloten gerne darauf hinweisen, lasse es dann aber doch, weil er die Strecke besser als ich kennt...! Über Tom Browns See kommen wir in Turbulenzen und dann sind wir auch schon fast an der Lodge und das Flugzeug landet ohne jeden Ruck.

Das Flugzeug schwimmfährt bis zum Anlegesteg, der etwa 50 Meter von unserem Zimmer entfernt ist. Sehr praktisch! Wir werden mit den anderen Mitfliegenden  zusammen von den Guides begrüßt, während das Gepäck ausgeladen und zum Zimmer transportiert wird und dann müssen wir den dritten Waiver unterschreiben, mit dem wir auf Ansprüche verzichten, diesmal sicher wegen der Gefahr ins Wasser zu fallen oder von wilden Tieren gefressen zu werden.

Die Lodge ist perfekt organisiert. Auf einer Tafel steht an welcher Aktivität wer um wieviel Uhr mit welchem Guide teilnimmt. In einem stark geheizten Extraraum sind Ganzkörperwärmeanzüge mit eingebauter Schwimmweste in allen Größen, Jacken mit Schwimmweste oder ohne, Regenhosen, Gummistiefel, Extra Schwimmwesten, Ferngläser, Rucksäcke, wasserdichte Beutel. Man geht vor der Tour dorthin, zieht sich passend an und hängt nach der Rückkehr die nassen Sachen wieder auf.

Unser erster Ausflug geht sofort los in den Estuary. Begeistert fotografieren alle den ersten Bald Headed Eagle. Wir werden später erfahren, dass es zuweilen mehr Adler als Möwen gibt und sich die Begeisterung bald abnutzen wird.... Außerdem sehen wir Seelöwen und Seehunde und Scooter Enten, die sich um diese Jahreszeit zu großen Flößen zusammentun.

Dann geht es zum Lunch in Selbstbedienungsform, Suppe, Salat, Maccaroni-Cheese, Nachtisch , frische Früchte und Rohkost. Den ganzen Tag über kann man sich zudem alkoholfreie Getränke zapfen oder frische Kaffee/Espresso/Latte und Co machen. Auf einem Sideboard stehen auch ganztägig Snacks bereit. Das Geschirr bringt man zu einem Geschirrwagen. Man isst mit seinen Mitgästen an langen Tischen und es macht viel Spaß sich mit den anderen auszutauschen. Dazu später mehr.

Um eins geht es bereits wieder los, diesmal mit einem Boot zur anderen Seite der Cove. Dort steigen erst zwei Guides aus und stellen sicher, dass keine Bären herumlaufen. Dann geht man etwa 200 Meter bis zu einem alten kleinen Bus, der einen dann in etw 15 Minuten über eine alte Holzfällerstraße (zugesicherter Feldweg ) zu den Laichplätzen der Lachse bringt. Der Bus muss einen Kilometer für den Rückweg dann rückwärts fahren, bis eine Stelle zum Wenden kommt.

Dann steigen wieder zwei Guides aus und gucken, ob die Luft rein ist. Ich habe eine halbe Stunde später jede Menge Bären um unseren Bus herumlaufen sehen, also tatsächlich eine gute Maßnahme! Dann geht man in eine -mit Tür versehene und von einem Käfig umgebene schmale Rampe hoch bis auf einen Beobachtungsstand oberhalb eines Wehrs. Von hier aus geht die Hälfte der Gruppe über einen langen Holzsteg (mit Brüstung) zu einem anderen Beobachtungsstand 200 Meter weiter.

Ich hätte es mir so nicht träumen lassen, aber man steht tatsächlich in unmittelbarer Nähe über den Grizzlies, die hier im Wasser stehen und Lachse fangen. Es ist wie im Film. Kein Wunder, viele der Filme wurden hier gedreht! Ein Traum für Naturfreunde, unglaublich! Wir verbringen 2,25 Stunden auf dem Ansitz.

Kaum zurück in der Lodge bleibt gerade noch Zeit für eine Tasse Kaffee (und schon wieder gibt es wunderbaren Kuchen) und um halb 5 geht es zur nächsten Naturbeobachtung. Diesmal mit einem schnellen Motorboot in einer Kleingruppe, geleitet vom Inhaber der Lodge, Dean (sieht aus wie der Inhaber von Jurassic Park 1). Wir verbringen einige Zeit damit, Buckelwale zu beobachten. Leider schwimmen sie aber nur herum, tauchen unter, zeigen mal ihre Rückenflossen und tauchen wieder ab. Dann taucht das Blas an einer völlig anderen Stelle wieder auf. Die sind ganz blöd!
Dean zeigt uns Wasserfälle und erzählt viele Geschichten von dem schwierigen Verhältnis zu den Indianern. Auch hierzu könnte man Seiten schreiben.

Doch dann kommt plötzlich ein Sturm auf, der bis kurz zuvor noch spiegelglatte Inlet hat plötzlich überall Schaumkronen und ist sehr bewegt. Dean flucht und bringt das Boot auf Kurs zurück. Wir quetschen uns alle in der Führerstand um nicht von der Gischt völlig durchnässt zu werden. Dean muss auch aufpassen, weil durch den Wind immer wieder lose Baumstämme in den Weg getrieben werden. Einmal muss er stark bremsen und wir kegeln um.

Zurück in der Lodge bleibt gerade noch Zeit, um die nassen Sachen aufzuhängen (habe ich eigentlich schon erwähnt , dass es den ganzen Tag geschüttet hat?) und schon gibt es Abendessen. Jetzt sind die Tische schön gedeckt, es gibt erst aber noch eine offene Bar und Appetizer (Berge Krabben und Dungeness Crab, vom gleichen Tag an der Lodge "geerntet". Dann Buffet mit guter Auswahl und hinterher ein serviertes Dessert. Wein steht in Flaschen auf dem Tisch und muss nicht extra bezahlt werden.

Nach dem Essen gibt es um 20.30 Uhr  in der Lounge einen Vortrag vom Guide Jay über Küstenwölfe. Das ist komplett entspannt, wenn er ein Foto von einem Wolf mit Jungen zeigt, rufen alle ahh und ohhh und alle machen ein bisschen Quatsch. Sehr nette Atmosphäre, Um halb zehn ist man dann tot und erledigt und alle brechen in ihre Zimmer auf!

Um 6 Uhr morgens klingelt der Wecker , ab halb 7 gibt es Frühstück (es gibt keine Föhns, um die Elektroversorgung , die über Generator erfolgt, nicht zu belasten). Um halb acht muss man fertig eingekleidet mit Schutzkleidung am Steg sein und es geht zur ersten Exkursion.

11.Oktober:
Unsere erste Exkursion führt zu den Aussichtsplattformen, am Vortag waren wir am Wehr diesmal sind wir an der anderen Plattform, am Zusammenfluss von Laichkanal und Glendale River. Leider sind an beiden Plätzen nicht so viele Bären wie gestern, als man gleichzeitig immer 10-20 sah. Dafür hat man aber viel Zeit einen männlichen Grizzlies und eine Mutter mit ihren zwei Jungen zu beobachten. Hier ist das Wasser tiefer als am Wehr und die Lachse in größerer Dichte, einige davon sind schon nach dem Abbleichen gestorben und Beute ohne Widerstand. Die Bären werden ständig von den Möwen umkreist, die ihren teil abhaben wollen. Ich filme eine Sequenz von 10 Minuten, während dieser Zeit hat das 4 Jahre alte Männchen 4 Lachse gefangen.

Die zweite Exkursion des Tages ging in den Estuary, wo wie im Binnengras mehrere Grizzlies beobachten konnten.

So, jetzt ist erst einmal genug geschrieben, der Rest folgt morgen.

Die schwimmende Lodge

Das Wasserflugzeug

Im Cockpit

Erste Bootstour

Grizzlies am Wehr

Raus geht es erst, wenn keine Bären da sind

Glendale Cove am frühen Morgen

Glendale Cove

Grizzly

Lachs gefangen

Lachse fangen lernen 

Bären im Estuary

Adler (Bald headed Eagle)

Dicke Seehunde an der Lodge

Zwei Grizzly-Kinder


1 Kommentar:

  1. Toller beschrieb deiner Reise. kann es mir richtig vorstellen wie es dort aussieht. Hat mir beim Planen der Reise nach BC, mit Bärenbeobachtung sehr geholfen.

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