Samstag, 29. Februar 2020

Bristol, Brunel, Banksy und dann nach Wells

Das Frühstück in unserem Timewarp Hotel ist definitiv auch  nicht in den 2010 Jahren und schon gar nicht im dritten Jahrzehnt des 3. Jahrtausends angekommen. Es gab nichts, dass nicht im Prinzip aus einer Dose, Flasche oder Tüte gekommen wäre. Aber ein Toast mit Bacon und ein weiterer mit Marmelade, dazu ein Joghurt und es ist zwar nicht wirklich gesund, aber auch keine Vollkatastrophe.

Das Walton Hotel direkt am Bristol Channel

Wir fahren heute nach Bristol und dann später noch nach Wells. Das Problem ist, dass man mit jeder  der beiden Städte alleine schon einen abendfüllenden Blog schreiben könnte und so viel Zeit habe ich heute gar nicht, da wir gleich noch etwas essen gehen müssen und es schon gleich 19 Uhr ist.

Daher fasse ich beide Städte einfach in Bulletpoints zusammen.

Bristol, die Stadt der B´s, zuerst:
  • Lebendige Wirtschaftsgeschichte vom 13. Jahrhundert (Beginn als Hafenstadt) bis heute. 
  • Wichtigste Güter in der Vergangenheit: Sklaven, Zucker aus der Karibik , Tabakverarbeitung
  • Wichtige Industrien der Gegenwart: Flugzeugbau, Animationsfilmstudio (Wallace und Gromit)
  • Im 14. Jhdt, kurz vor der Pest mit 15.000-20.000 Einwohnern drittgrößte Stadt Britanniens nach London und York
  • Stark dezimiert durch die Pest, heute über 450.000 Einwohner
  • Bedeutende Universitätsstadt
  • Starke Zerstörungen im 2. Weltkrieg
  • Heute überdurchnittliches Pro-Kopf-Einkommen wegen des starken wissenschaftlichen Forschungsstandorts.  
  • Zentrum für neue Musik
  • Streetart Hotspot, u.a. Banksy (https://visitbristol.co.uk/blog/read/2019/02/banksy-and-other-street-art-hotspots-in-bristol-b1000). Banksy (dessen Identität trotz seiner Berühmtheit noch geheim ist) ist der weltweit bekannteste Street Art Künstler. 
  • Mehrfach unter die besten lebenswerten Städte gewählt
  • Schöne georgianische Bauensembles, vor allem in Clifton
  • Mit der Suspension Bringe nach Clifton (Hängebrücke) verfügt Bristol über ein  brückenbautechnisches Meisterwerk des umtriebigen Ingenieurs Brunel (1806-1859), die Brücke ist DAS Wahrzeichen Bristols.Nähere Infos: https://de.wikipedia.org/wiki/Clifton_Suspension_Bridge)
  • Brunel baute auch das erste dampfbetriebene Transatlantikschiff: "1843 folgte die Great Britain, der erste propellergetriebene Transatlantikdampfer, dessen Rumpf zudem nicht mehr aus Holz, sondern aus Eisen bestand. Weitere besondere Merkmale des Schiffes, das heute im von Brunel eigens dafür entworfenen Trockendock in Bristol liegt, sind ein Doppelboden und wasserdichte Schotts."(https://de.wikipedia.org/wiki/Isambard_Kingdom_Brunel)
  • Sehr lohnenswert ist das Museum M Shed in einem ehemaligen Lagerspeicher am Hafen. Es hat auf zwei Ebenen viele Exponate und interaktive Darstellungen zur Sozialgeschichte der Stadt. Auf einer weiteren Ebene gibt es Sonderausstellungen. Das Museum hat freien Eintritt und ist sehr kinderfreundlich! https://visitbristol.co.uk/things-to-do/m-shed-p24311
Es ist früher Nachmittag, geworden, das Parkticket ist abgelaufen und wir müssen woanders parken.  Dabei fahren wir erst noch auf der Suche nach dem  Banksy Bild vom Mädchen mit dem Perlohrring herum und finden es auch!
Es ist heute Samstag und alles ist voll in Bristol, Parkplätze sind auch nicht leicht zu finden und es gibt viele Einbahnstraßen, daher darf man nicht immer  abbiegen wie man will (die Stadt ist sehr hügelig) und irgendwann haben wir keine Lust mehr, wollen raus aus dem Stadtgewusel und fahren einfach weiter in Richtung Wells.

Typisch für Bristol: Bunte Häuserreihen

Ther grim Reaper, Banksy

Hausboot auf dem River Avon

Hinterhofbild von Banksy und "Pilger"
Das Mädchen mit dem Perlohrring (letzterer eine echte Alarmanlage)
Pilgergaben für Banksy
Unter dem Mädchen mit dem Peruohrring

Im M Shed, Bristol

M Shed Bristol
M Shed Bristol Exponat

Kräne im historischen Hafen

Modellschiffchen in einem Fensterregal, M Shed

Cligton Suspension Bridge


Weiter geht es von Bristol aus durch die sanft gewellte Hügellandschaft der Mendips  in Richtung Wells. Wir kommen übrigens später auf dem Rückweg nach Clevedon durch den Ort Cheddar, den mit dem Cheddarkäse, der hier her stammt und in britischen Haushalten einen Anteil von 55 % aller gekauften Käse hat.

Hier das Wichtigste zu Wells:
  • Stadtstatus seit dem Mittelalter, da Kathedralenstadt, heute um die 10.000 Einwohner.
  • Bauzeit der Kathedrale 1176–1450, Länge 126 m, Höhe gering, nur etwa 20 -230 m , es ist eine der schönsten Kathedralen, in denen ich je war. Besonders schön ist, dass die Sonne genau auf die Fassade scheint und deren honigfarbener Stein hell leuchtet gegen das tiefe Blau des Himmels. Mehr zum bemerkenswerten Bau unter: https://en.wikipedia.org/wiki/Wells_Cathedral
  • Die private Wells Cathedral School, wurde vermutlich bereits im Jahr  909 gegründet und ist eine der 5 musikorientierten Schulen in GB. Sie nimmt gefühlt die halbe Stadt ein. An mehreren Stellen hören wir Schüler proben.
  • Wells ist filmogen und war schon oft Kulisse für historische Filme
  • Die 140 m lange Straße Vicar´s Close mit ihren 27 Häusern gilt als die älteste Straße  zu Wohnzwecken in Europa. Sie stammt aus der Mitte des 14. Jahrhunderts. Wer kann die Schornsteine zählen? Mehr dazu unter: https://en.wikipedia.org/wiki/Vicars%27_Close,_Wells
Man könnte noch so viel schreiben...! Eine nette kleine Geschichte am Rand: Wir sitzen in einem Café in Wells. Ein Mann und eine Frau Mitte bis Ende 30, sie asiatischer Herkunft , Bereich Indien oder angrenzend), er Einheimischer und ortskundiger Führer. Sie wollen erst Eis kaufen, dann entdeckt sie eine Puddingschnitte. Was ist das, fragt sie ihren Begleiter. Der sagt: Eine "Custard Slice". Und was ist das? - fragt sie. Er zuckt mit den Achseln und guckt fragend den bedienenden gleichaltrigen Mann hinter der Theke an. Der weiss auch nicht genau, wie man das um-oder beschreiben kann. "Pudding" ist in GB ein im Wasserbad im Ofen gegarter Nachtisch, manchmal auch überhaupt Synonym für Nachtisch. Unsere Art Pudding gibt es hier so nicht. Custard wird mit Eiern, Milch und Stärke gemacht. Ratlosigkeit. Der Kunde meint noch zur Bedienung: "Irgendwie mit Zitrone, oder?". Der weiss es aber  auch nicht genau. Sie entscheidet sich für Eis. Sicher ist sicher.

Tor zum ehemaligen Bischofspalast in Wells
Marktkreuz mit Brunnen in Wells
Vicar´s Close rechte Seite

Vicar´s Close linke Seite

Haustür, Vicar´s Close

Kreuzgang an der Kathedrale
Kathedrale von Wells

Reserviert für Eltern und Kinder mit Krabbelteppich  (Kathedrale)

Schornsteine zählen

Die Katze verschwindet durch das Tor

Im Domkapitelsaal

Grab aus dem 13. Jahrhundert

Kathedrale von Wells

Bücherregal für die Geistlichen

Alter Türriegel, am Mauerwerk

Scheren"Säulen"

Alte Tür, Wells

Läden in Wells
Eleganter Pier in Clevedon
Ruderboot mit Steuermann - Pilot Gig in Clevedon

Ein Herrenhaus und ein viktorianisches Seebad

Wir sind auf dem Rückweg von Cornwall nach Dover und wollen uns gerne einmal Bristol ansehen. Wir haben daher für zwei Nächte ein Zimmer im alten viktorianischen Seebad von Clevedon gebucht, unweit von Bristol und heute Schlafstatt für Pendler. In seinem "Heyday" war der bereits im Doomsday Book erwähnte,Ort als viktorianisches Seebad bekannt. Hier wurde der erste der vielen britischen Vergnügung-Piers gebaut. Anders als im benachbarten Weston-Super-Mare ist der Pier aber eher zum beschaulichen Flanieren gedacht, als zum Karussell und Achterbahn fahren.

Doch dazu morgen mehr. Bekannt wurde Clevedon übrigens auch noch, weil sich hier im 2. Weltkrieg eine Bakterienzuchtanlage befand, mit deren Hilfe Penicillin in größeren Mengen zur Verwendung in den Militärlazaretten hergestellt werden konnte.

Heute ist Clevedon  unser Tagesziel. Wir entscheiden uns auf dem Weg dort hin, noch das National Trust Haus Killerton zu besuchen, denn es ist auch im Winter geöffnet und es liegt strategisch gut für einen Mittagsimbiss unweit von Exeter.

In der Kurzbeschreibung der NT App heißt es, dass das Haus 1944 dem NT aus "politischen Gründen" übergeben wurde. Das klingt ungewöhnlich und daher interessant, schließlich sind die Erbschaftssteuern bzw. Unterhaltungskosten für gewöhnlich der Grund für eine Übertragung des Grundbesitzes an den National Trust.

Aber die Auflösung dieser Frage ist nicht unsere erste Priorität, statt dessen gehen wir in der folgenden Reihenfolge vor:
1. Toilette ( Ich weiß: Too much information)
2. Das Café im Stable Block
3. Garten und Park
4. Das Haus

Es gibt eine weitläufige Parklandschaft mit weitem Blick in das sanft gewellte Land, Viele, sehr alte Bäume , überall Osterglocken, Cyclamen, Schlüsselblumen, Krokusse, Primeln und Veilchen in der Wiese. Ab und zu ein Rhodie oder eine Magnolie.

Garten und Haus stammen aus georgianischer Zeit, das Haus wurde Ende der 1870er fertiggebaut.  Mit der Gartenanlage wurde John Veitch beauftragt, ein lokaler  Gärtner und Baumschulenbesitzer. Der  Garten wurde in der Tradition von Capability Brown als Landschaftsgarten angelegt , mit sich immer wieder neu öffnenden Blickachsen  und besonderen Hinguckern, wie ein Eishaus, eine Kapelle, redegedeckte Hütten und eine heute nicht mehr bestehende Orangerie.
1813  legte John Veitch  sein Unternehmen und damit auch die Geschicke des Gartens von Killerton  in die Hände seines Sohnes James. Unter dem jungen Veitch expandierte die Baumschule. James begann Pflanzenjäger in die weite Welt zu schicken, um interessante Samen aufzutreiben. 1832 stellte er  William und Thomas Lobb als Auszubildende ein. Später schickte er diese auf eine Weltreise um für die Baumschule interessante Pflanzen zu entdecken. und nach Killerton zu holen.

1853 brachte William Lobb den ersten Samen von Mammutbäume (Giant Sequoias) nach Großbritannien und damit auch nach Killerton. (https://www.nationaltrust.org.uk/features/how-the-giant-sequoia-came-to-england)
Einige Bäume stehen heute noch in einer Gruppe zusammen. Der Größte ist  in den etwa 120 Jahren 40 m hoch geworden und 2 m breit. Killerton hatte eines der ersten Arboreta in England  mit allein 100 verschiedenen Rhodies.

Es fehlt noch die Beantwortung der Frage, warum das Haus 1944 "aus politischen Gründen" an der National Trust ging. Ganz einfach, der Hausherr, Richard Aclant war zu dieser Zeit zum Kommunisten geworden. Ursprünglich war er Abgeordneter der Liberalen im britischen Parlament. Dann rückte er (viel) weiter nach links und gründete seine eigene Partei, die CommonWealth Partei. Um diese zu finanzieren, wollte er seinen immerhin (heute) 2.600 Ha großen Landbesitz gewinnbringend veräußern. Dies verstand seine Frau nicht, da hierdurch das Schicksal der Pächter in eine ungewisse Zukunft verkauft worden wäre, was sie außerordentlich unsozial fand. Der Streit bedrohte die Ehe. Sir Richard lenkte ein und man einigte sich, den Besitz dem National Trust zu übergeben, damit er wenigstens so der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte und auch für die Pächter gesorgt war.

Unser Hotel in Clevedon ist ein ziemlich in die Jahre gekommener Prachtbau direkt am Bristol Channel, heute ein 3-Sterne Best Western Hotel,Walton Park.  Ausgesucht, weil Armin lieber außerhalb von Bristol wohnen wollte. Dort war die "Rund um Bristol"- Auswahl eher gering. Es ist ein Time Warp Hotel. Als wie vor 20 Jahren in Clevedon mit den Kindern auf dem Weg nach Devon Pause gemacht haben ( nicht im Hotel, sondern in der Nähe des Piers und  nur zum Mittagessen und für einen kleinen Spaziergang) war die Einrichtung vermutlich schon genauso. Aber das Zimmer ist groß und hat einen Blick über den Bristol Channel, den breiten Sund zwischen Wales und Somerset/Devon und billig ist es auch. Um dieses Hotel auf einen modernen Stand zu bringen , müsste man richtig viel Geld in die Hand nehmen und vermutlich den Bau entkernen.

Zum Abendessen fahren wir dann doch lieber etwas weiter in den Ort und finden zwar zwei, drei Restaurants auf der Hauptstraße, dafür aber keine Parkplätze. Also versuchen wir es an der Seafront, da wo wir vor 20 Jahren Pause gemacht hatten. Dort ist nur ein Restaurant überhaupt offen, ein Italiener: "Il Giardina". Auch dieses Restaurant hat es damals schon gegeben, vielleicht waren wir sogar dort. Es wurde schon 1987 gegründet. Auch hier ist die Zeit ein bisschen stehen geblieben. Der italienische Inhaber hat ein wachsames Auge auf alles. Er achtet darauf, dass sein Servicepersonal den  Pfeffer aus der Mühle nicht vergisst, er kümmert sich um den Wein,  er filetiert Fisch gekonnt am Tisch. Als er uns beim Herausgehen im Vorraum ( dem zum im-Menu-blätten und Bestellen) verabschieden will, erzählt er uns noch schnell seine Lebensgeschichte. Wie er Ender der 50er Jahre ohne ein Wort englisch zu sprechen nach England kam, wie er in Bristol angefangen hatte, wie er die Frau seines Lebens kennenlernte, die mit machte, als er sich zunächst in Bristol selbständig machte , die verstand, dass er aus sich etwas machen wollte, die ihm 4 Kinder (7 Enkel) schenkte.
Sein Sohn Renato hat das Lokal übernommen, unser Padrone ist ein glücklicher Mann, der zufrieden ist mit dem gemeinsamen Lebensweg und  Lebenswerk, dem von ihm, Francesco Sormani, und seiner Frau Adriana.
https://www.il-giardino.co.uk

Abfahrt von unserem schönen Haus 



Killerton House

Magnolienblütenblätter, Primeln, "Daffs" und Krokusse

Bizarre Äste voller Moos

Osterglocken = Daffodils = "Daffs"

Magnolien

Alte Zeder

Killerton House

The Dairy

Osterglocken und viele alleinstehende Bäume

Eiche

So wird ein Teppich aus Stoffstreifen gefertigt

Krokusse

Noch ein Solitärbaum

Immer wieder Magnolien

Der Hausherr aus georgianischer Zeit, vielleicht ein Freund von Mr. Darcy
Der Baum hat viel erlebt und braucht jetzt eine Krücke

Blick in die Ferne

Parklandschaft

Garten Killerton Haus