Dienstag, 6. Oktober 2015

Im Gebiet des "Schwarm", Holzfäller gegen Fische

Heute ist noch einmal schönes Wetter, morgen soll es bewölkt sein und ab übermorgen soll es sechs Tage Regen geben.Wir machen einen langen Spaziergang entlang des Strandes. 
Der Chesterman Beach ist sehr lang und besteht aus zwei mit einander verbundenen Sicheln. Ideal zum Strandwandern. Es ist Ebbe und ein großes Gebiet ist trockengefallen, so kommen wir trockenen Fusses bis zu Frank´s Island, einer im Privatbesitz stehenden Insel. ich höre andere Spaziergänger kommentieren, dass hier die Kosten für eine Insel noch erschwinglicher seien als in den Bahamas. Am Strand entlang stehen auf zurückliegenden Grundstücken immer wieder Privathäuser, natürlich mit riesigen Fensterscheiben, aber ansonsten unauffällig und das Landschaftsbild nicht störend.

Danach erkunden wir den Ort Tofino mit seinen 1.500 Einwohnern. Es ist ein kleiner Ort wie so viele in den USA oder Kanada. Viele alleinstehende Häuser in lockerer Bauweise an breiten Straßen, kein wirklicher Ortskern, eine Kirche, die Feuerwehr, ein kleines Krankenhaus, ein Coop Supermarkt, in einem kleinen Geviert zumindest eine Zentrum-ähnliche Anhäufung von Kunstgewerbeläden. Eine große Halle mit indianischer Kunst. Outfitter, die Bären- oder Walausflüge anbieten, Kayak und Kanuverleihs und Surfschulen. Ein paar Cafés und Restaurants, eine Bank eine Apotheke, ein Bäcker, ein Kaffeeröster. Nett, bunt, schräg. An mehreren Stegen liegen Boote, Yachten, kleine Ausflugsbooten, Schlauchboote (Zodiacs), ein Wasserflugzeug, die Küstenwache mit einem Hubschrauber. Man sieht viele First Nation Gesichter, dem Aussehen nach schon mehr Inuit als Winnetou. 

Gegenüber liegt Meares Island, eine Insel, die die dort ansässigen First Nation Bewohner 1984 als autonomes Gebiet ausgerufen haben. Es ging um die ausufernde Holzwirtschaft, die sogar den Lebensraum der Fischer zu bedrohen geeignet war. Wir sind hier im Gebiet des sogenannten Clayoquot Sounds, einem Gebiet mit  tief eingeschnittenen Flussläufe und Buchten, in denen 210 Inseln verschiedenster Größe liegen. In einer Entfernung von etwa 80 km zwischen den Endpunkten des Gebietes entsteht so eine Küstenlinie von 922 km Länge. (Quelle: Wikipedia). 

1955 vergab die Provinzregierung Holzeinschlagrechte für etwas mehr als die Hälfte des Clayoquot Sound an das Forstunternehmen MacMillan Bloedel (1999 übernommen durch den Konkurrenten Weyerhaeuser). Im Jahr darauf wurden die Rechte für fast den gesamten Rest des Gebietes an British Columbia Forest Products - die Lizenz wurde später verkauft und liegt seit 1992 bei International Forest Products - Interfor - vergeben. Der damalige Minister für Forstwirtschaft wurde später wegen Korruption im Zusammenhang mit der Vergabe von Holzeinschlagslizenzen zu einer Haftstrafe verurteilt.(wikipedia)

Der Roman:
Im Thriller „Der Schwarm“ von Frank Schätzing ist der Clayoquot Sound ein Hauptschauplatz des Romans und Heimat des indianischen Walforschers Leon Anawak. Das Buch thematisiert unter anderem den Konflikt zwischen der Holzindustrie und Naturschützern. (wikipedia)

Es ist schon ein bisschen länger her, dass ich den Roman gelesen habe, jetzt muss ich ihn unbedingt noch einmal lesen!

Die Wirklichkeit:
Inzwischen sind rund 75 % der Urwälder auf Vancouver Island abgeholzt. Im Clayoquot Sound liegen wegen der Abgelegenheit die größten zusammenhängenden Gebiete im Naturzustand.
Seit den 1990er Jahren nimmt der Tourismus in Ucluelet und Tofino deutlich zu, insbesondere Ökotourismus wie Whale Watching und Wanderungen in den Regenwäldern eröffnet der Bevölkerung eine Einnahmequelle jenseits von Fischfang und Forstwirtschaft. Gleichzeitig wird die Aufmerksamkeit von Naturschützern in ganz Nordamerika und bis nach Europa auf das Gebiet gelenkt.

Die Geschichte des Protestes:
In den 1960er Jahren begannen die Unternehmen mit der Nutzung der Wälder durch Kahlschlag, teilweise dreimal schneller, als nach der Lizenz erlaubt. Die betroffenen Flächen waren zunächst kleinräumig, weil aber bis an die Flussufer abgeholzt wurde, schwemmten Regenfälle Erdreich in die Wasserläufe; durch die Verschlammung brachen lokale Fischbestände zusammen. 1979 gründeten Bewohner von Tofino die Friends of Clayoquot Sound, um die Schäden durch Forstwirtschaft zu sammeln und zu dokumentieren.
1981 schlossen sich die indianischen First Nations der Region zusammen (die zu den Nuu-chah-nulthgehören), um gegen die Zerstörung ihrer Heimat durch die Holzindustrie zu protestieren. Im folgenden Jahr erkannte ein Gericht die Nebenwirkungen der Abholzung auf die Fischereirechte der Indianer an, sprach ihnen aber wegen des vermeintlich geringen Schadens keine Unterlassungsansprüche zu. Ebenfalls im Jahr 1982 wurde auf Beschluss der Provinzregierung eine Fachkommission eingesetzt, die die Methoden der Forstwirtschaft im Gebiet untersuchen und Empfehlungen abgeben sollte.
1984 riefen die Völker die unmittelbar von Abholzung bedrohte Insel Meares einseitig als Tribal Park aus und verlangten den Schutz in Anerkennung ihrer kulturellen Autonomie. Später im Jahr ignorierte die Provinzregierung die Leitlinien für umweltverträgliche Forstwirtschaft der Kommission und bestätigte die Einschlagsrechte für 95 % der umstrittenen Fläche, woraufhin Indianer erstmals mit Straßenblockaden und anderen Akten des zivilen Ungehorsams gegen die Industrie vorgingen. 1985 stoppte das oberste Provinzgericht mit einer Einstweiligen Anordnung die Abholzung der Insel Meares, bis über die Klagen entschieden ist (die Verfahren sind auch 2007 noch nicht formell beendet). 

Noch einmal Wikipedia, diesmal zur Natur:
"Die Niederschlagsmenge qualifiziert die Wälder der Hänge als Regenwald der gemäßigten Breiten. Sie setzen sich vorwiegend aus dem Riesen-Lebensbaum und Kanadischer Hemlocktanne zusammen.
In den Hügeln des Clayoquot Sound leben unter anderem WölfeSchwarzbärenPumasSee- und Fischotter, und Wapitis. Im Pazifischen Ozean leben GrauwaleOrcas, sowohl Gewöhnliche Schweinswale als auch Weißflankenschweinswale, mehrere Delfin- und Robbenarten und Stellersche Seelöwen. Unter den Vogelarten des Gebietes sind Weißkopfseeadler und SteinadlerFischadlerMarmelalk und Fleckenkauz bemerkenswert. Die Flüsse sind Lebensraum von Lachs und Forelle."

Hoffentlich klappt das Morgen noch mit der Bootstour, es müssen mindestens vier Passagiere zusammengekommen und bislang sind wir nur zu Zweit. Jedenfalls bei dem  Outfitter, den das Hotel vorgeschlagen hat. Sonst müssen wir einen anderen suchen oder morgen erst einmal das Wassertaxi nach Meares Island nehmen.

Es sei auch noch erwähnt, dass der Streit zwischen den Einwohnern und den Unternehmen weitergeht, neben den Protesten gegen den Holzschlag ist derzeit ein Kupferbergwerk im offenen Tagebau geplant und es gibt Pläne für umfangreiche Lachszuchten.

So, das war einmal ein edukativer Blog! Wir müssen also unbedingt einmal zu Meeres Island übersetzen. 



Sonnenaufgang 
Strand mit Dunstschleier
Treibholz
Kleiner Leuchtturm
Spuren im Sand
Unser Hotel ist am Ende der Bucht gelegen
Morgenspaziergang
Morgenpfeife (weit genug von der Zivilisation mit Rauchverbot)

Leseplatz
Überspülte Seeanemonen und Seesterne

... und noch einmal ohne Wasser


Seeanemonen
Treibholz 2


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