Dienstag, 8. Januar 2019

In den wilden (Nord-) Westen von Devon

Bei Sonnenaufgang drängt der Wind die Wolken und den Nebel davon und als schon ist der Himmel voller Schäfchenwolken, ein "Mackerel Sky" heißt das hier. Ich nehme an, weil die Wolken Ähnlichkeiten mit einem Fischschwarm haben.
Saunton Sands 
Wir fahren durch das immer leerer werdende Devon (seit Sonntag haben wir noch nicht einmal Surfer entdecken können) in Richtung Westen, entlang des "Arlantic Highway", der A 39 über Bideford und an Clovelly noch vorbei. Danach geht es rechts ab auf die sog. Hartland Peninsula, keine wirkliche Halbinsel, aber ein Landstück mit Meerstück, dass abseits aller Durchgangsstraßen liegt. Laut dem Time-Out Reiseführer für Cornwall und Devon hat sich hier eine lebhafte Kunstszene etabliert. Davon ist natürlich jetzt im Januar, kaum etwas zu sehen. Keine Hinweisschilder auf Galerien und Studios. Vielleicht wird das Meiste ohnehin nicht hier, im etwas abgelegeneren Bereich verkauft. 
Besucher kommen wegen der Nordwestspitze der Region Torridge, dem Hartland Point mit seinem Leuchtturm. Oder dem kleinen Schifffahrtsmuseum und Inn am Hartland Quay. Oder um in einem der alten Tearooms und Inns zu essen und zu trinken. Die Tearooms haben jetzt allerdings alle zu. Ebenso eine weitere bekannte Attraktion, die Hartland Abbey, ein Herrenhaus, das wir vor 24 Jahren besichtigt hatten. Und auch auf der Lavendelfarm oder in einem der Gärten ist jetzt nichts zu sehen.

Der Leuchtturm am Hartland Point liegt unten am Fuß der Steilküste, die dahin führende Straße ist aber nicht mehr begeh- oder befahrbar, da ständiger Steinschlag den Weg gefährlich macht. Wir parken an einer Farm nahe des Helikopter-Flugplatzes  für Flüge nach Lundy (jetzt auch geschlossen) und gehen bergauf entlang des Coast Paths. Auf der rechten Seite liegen auf der nächsten Anhöhe zwei Radaranlagen, die, die wie auf-ge-tee-te Golfbälle aussehen. Wir gehen aber links entlang und passieren eine (geschlossene) Holzhütte mit Picknicktischen davor, sicher im Sommer ein guter Platz für einen Snack. Man passiert die ehemalige Zisterne, in der Süßwasser für die Leuchtturmwärter gesammelt wurde und dann geht es steil den hang hoch. Oben bietet sich ein phantastischer Blick bis zur Insel Lundy und auf den kleinen Spielzeug-gross aussehenden Leuchtturm am Fuß der Steilküste.

"Hartland Point ist eine Landzunge in England und der nordwestlichste Punkt in der Region Devon. Der Punkt ist auch als der am weitest entfernte Ort von einer Eisenbahnlinie in England bekannt, welche sich erst wieder 14 Meilen entfernt in Bude befindet. Der Ort markiert die südwestlichste Grenze des Bristol Channel. Die nordwestlichste Grenze des Kanals ist St Ann’s Head in der Nähe von Milford Haven, 40 Meilen entfernt. Der Ort ist seit über 130 Jahren ein wichtiger Platz für Kommunikation und Navigation." (https://de.wikipedia.org/wiki/Hartland_Point)

Der Leuchtturm wird, wie fast alle im UK, betrieben von Trinity House. Erbaut wurde er 1874. Automatisiert wurde er 1927. Seine Scheinwerfer liegen 30 m über dem Wasserspiegel und leuchten mit 635 candela (Kerze?!) 8 nautische Meilen weit (https://www.trinityhouse.co.uk/lighthouses-and-lightvessels/hartland-point-lighthouse).

"Das heutige Licht, (sc. seit 2012  in einer separaten Struktur) welches sechs Lichtsignale alle 15 Sekunden aussendet, hat eine Reichweite von 25 Meilen. Ein Nebelhorn gibt bei Nebel alle 60 Sekunden einen fünf Sekunden langen lauten Ton, der noch in über zwei Meilen Entfernung gehört werden kann. Der Leuchtturm warnt Seefahrer vor dieser Landzunge ". (wikipedia, s.o.)

"Under the direction of Trinity House’s Engineer-in-Chief Sir James Douglass, the lighthouse was built on a large rock at the tip of the point; the lighthouse was threatened by the undermining action of the sea to such an extent that rock had to be broken from the cliff head behind the lighthouse to fall on the beach and form a barrier against the waves. Unfortunately this procedure had to be repeated at frequent intervals as the deposits were washed away whenever a North Westerly gale coincided with a high spring tide. Eventually it became necessary to construct a permanent barrier, and a sea wall 30 metres long and six metres high was built in 1925. Prior to automation in 1984 the station was manned by four keepers who lived in dwellings attached to the lighthouse with their families. 
Hartland Point Lighthouse

Von Hartland Point aus geht es weiter zum Hartland Quay. Der ganze Küstenbereich hier ist gespickt mit alten Wracks. In Hartland Quay erzählt ein Museum die Geschichten dazu. Natürlich ist es jetzt aber geschlossen...! Glücklicherweise hat das Gasthaus ( Wrecker´s Inn) aber auf. Es ist jetzt um halb zwei im Winter relativ leer un der junge Barkeeper poliert die Gläser und summt die aus dem Lautsprecher kommende Musik mit. Erst Oldies aus den 50ern und dann aus den 60ern. Die Ausstattung ges Pubbereichs stammt vermutlich aus den 70ern und hat sich sicher nicht verändert, seit wir vor 24 Jahren hier waren. Karierter Teppichboden, Rauhfasertapete (woodchip gilt im UK als (zu) einfach) und bis Hüfthöhe eine Art Täfelung von gesägten Rundhölzern, dunkelbraun gebeizt. Aber alle sind nett und es ist auch schön, dass nicht alles , wie man so sagt, gentrifiziert ist. Sandwich und Suppe sind ordentlich. 
Nach dem Essen gehen wir zur Bucht und zum (steinigen) Strand hinunter. Dies muss  ein Paradies für Geologen sein. Nachdem wir neulich zuhause in der Mediathek eine Serie über Plattentektonik gesehen haben, nicken wir zufrieden ein kurzes "Hah", "Plattentektonik". Keine der vielen Erdschichten ist gerade, alles eckig und extrem gehoben. Zudem sind die einzelnen Schichten ganz und gar unterschiedlich. In der Farbpalette dominieren Schwarz, hellgrau und Rostrot. Es gibt Steine aller Formen und aller Formationen. Ein mindestens 8 M hohes Dreieck steht hochkant mit der Spitze nach oben und weisst ein Loch auf. Würfel von 80 cm kantenlange stapelt sich in die Höhe, als sei hier ein Steinbruch gewesen. Ich werde an die gesperrte Straße zum Leuchtturm erinnert, als auf der gegenüberliegenden Steilseite des Strandes mit ziemlich lautem Krach eine Serie Steine nach unten schlägt. Dies ist wirklich sehr eindrucksvoll.  In der nächsten Bucht, auf der anderen Seite des Gasthauses und der Wirtschaftsgebäude, am Parkplatz, herrschen Steinstreifen vor, die man hier "Raitroadtracks" nennt, sie laufen parallel wie Schienen. Berge voll launischem Gestein. Was für eine wilde Küste. 
Wir verlassen danach die Halbinsel und fahren weiter nach Westen ein paar Kilometer über die Grenze nach Cornwall hinein. ich wollte immer mal nach Morwenstow, weil der Name so cornisch klingt. Zudem habe ich im "Wild Guide" eine interessante Geschichte zu dem Ort gelesen. Über viele weitere kleine Single-Track-Roads arbeiten wir uns hin. Es ist eine Handvoll von Häuser, die sich entlang einer Combe (eingeschnittenes, schmales und relativ geschütztes Tal zum Meer hin= lästig für das Küstenpfadwandern, da man hoch und runter klettern muss) hinziehen. Am Ende der bebauten Straße steht eine uralte Kirche. Danach kommen noch ein paar Weiden und dann das Meer.
Die Kirche ist St. Morwenna und Johannes dem Täufer geweiht. Sie ist als historisches Gebäude der Klasse 1 eingestuft, hier stand vermutlich schon zuvor eine sächsische und dann eine normannische Kirche. Jedenfalls wurde die heutige Kirche 1291 in einem Vertrag zwischen dem Bischof von Exeter und dem St.John´s Hospital in Bridgwater das erste Mal erwähnt und zwar als ein "altes und wohlbekanntes Gebäude". Erweiterungen stammen aus dem 13., 15. und 16. Jahrhundert.
Am Eingang zum Kirchhof befinden sich ein "Stile" aus dem 19. Jahrhundert  ( Drüberkletterstein) , ein "Lych Gate" aus dem Jahr 1641 ( Eingangsstörchen mit Spitzdach) und ein ehemaliges Leichenhaus, jetzt Abstellraum, in dem ertrunkene Seeleute aufgebahrt wurden. 

Im Friedhof mit seinen uralten Grabsteinen steht eine weiße Staue, an einen weißen Pfosten genagelt. Sie hat mit dem Exzentriker zu tun, über dessen Geschichte ich gelesen hatte. 
Dies war der Reverend Robert Stephen Hawker, Vikar der Kirche von 1834 bis zu seinem Tod im Jahr 1875. Er erbaute im Mock Tudor Stil, mit gotischen Fenstern und Kirchturm-gleichen riesigen Schornsteinen, das benachbart gelegene Pfarrhaus, das "Vicarage" und er war damit der erste an der Kirche lebende Geistliche seit damals 100 Jahren. Der Schornstein der Küche ist übrigens ein Nachbau des Grabes seiner Mutter, auch architektonische Elemente seiner Alma Mater, Magdalen College in Ocford sind nachgebaut.
Hawker mochte keine dunklen Farben und trug deshalb helle, bunte Kleidung, den Mantel im Bordeaux-Ton, eine blaue Fischerjacke, manchmal einen breitrandigen Hut, zuweilen einen Fez, lange Stiefel, rote Handschuhe und einen gelben Poncho, aus einer Pferdedecke genäht ;machmal kleidete er sich als Meerjungfrau und trug dann eine Perücke aus Seetang.

Er mochte Tiere , das hinderte ihn aber nicht daran, seine Katze, die an einem Sonntag Mäuse fing, zu exkommunizieren. Als Haustier hielt er einen Hirsch , er sprach mit den Vögeln und ging mit seinem domestizierten Schwein spazieren. 
Rauschgift nahm er auch.
Im Sommer 1841 führte er im Uk erstmals das Erntedankfest ein. 
Er schrieb viele Bücher über Schmuggelei und die Legenden um König Arthur und er verfasste Gedichte. Unter anderem stammt von ihm die cornische Hymne "Trelawney".
Einmal  barg er aus einem gestrandeten Wrack die toten Seeleute und begrub sie auf dem Friedhof. Die zuvor oben erwähnte weiße Galionsfigur des havarierten Schiffes schleppte er den Hügel hoch und stellte sie auf dem Friedhof auf. 
Die Galionsfigur

Aus Treibholz baute er auf dem heutigen Küstenpfad eine Schutzhütte, die heute noch steht. Ich wollte unbedingt dahin gehen, aber Armin wollte an der Kirche bleiben ("Nicht noch eine Bucht") und ich gehe alleine los. Und zurück. Denn der weg führt nach kurzer Zeit über eine Wiese voller Kühe, und das traue ich mich nicht allein.
Über sich selbst schrieb er: "What a life mine would be if it were all written and published in a book".(nach: https://www.intocornwall.com/engine/azabout.asp?guide=Morwenstow)
Zum Abschluss des Ausflugs nehmen wir in Morwenstow noch einen Cream Tea im ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert stammenden wunderbaren Pub: " The Bush Inn".
Sollte jemand im Sommer nach Morwenstow kommen, gibt es seit 70 Jahren den (jetzt geschlossenen) Rectory Tearoom in einem Farmhaus aus dem 13. Jahrhundert gegenüber der Kirche. 


Am Hartland Point

Hartland Point

Coast Path mit Entfernungsangaben zu Anfang und Ende

Railroadtracks

Wrecker´s Inn, Hartland Quay

Hartland Beach

Gesteinsarten und -formen

Schräge mit Lücke, Hartland Quay

Hartland Quay-Beach

Wrecker´s Inn, Hartland Quay

Eingang zum St. Morwenna Church

Kirche Morwenstow

Uraltes Portal, Morwenstow

Hawker´s Vicarage


Erste Schneeglöckchen

Gedenkstein

Der Kirchturm, Morwenstow

Cream Tea

Bush Inn Morwenstow





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