Dienstag, 9. August 2016

Am brandenburgischen Amazonas: Der Spreewald

Heute ist Ausflugstag und es geht in den Spreewald , der etwa 50 km entfernt etwas südwestlich liegt. Hier wollte ich unbedingt einmal hin und Kahn fahren. Der Weg führt uns durch Kiefernwald und vorbei an großen Feldern durch eine Dünen- und Heidelandschaft und schließlich in Sumpfland, ein Unesco-Biosphärenreservat mit Wäldchen, Flüssen und Kanälen sowie Sumpfgebieten, gleichzeitig bei Überschwemmungen eine Auerlandschaft, die als Rückhaltebecken für die Hauptstadt dient. Ich habe im Internet vor der Tour in einer Tourismuswerbung gelesen, dass der kleine Ort Schlepzig viel weniger rummelig ist, als die Hauptorte Lübben, Lübbenau und Burg, der letzte Ort  ist u.a. bekannt, weil hier das Wellnesshotel Bleiche ist, häufig gerated als bestes Wellnesshotel in Deutschland. Meine Freundin Birgit fand die Bleiche zwar nicht gerade zu plüschig, aber definitiv dekomäßig zu textillastig.

Zufällig liegt Schlepzig etwa 12 km vor Lübben direkt auf dem Weg. Wir beschliessen, uns hier nach einem Kahn umzugucken, wie sich hinterher herausstellt, aus mehreren Gründen eine gute Wahl.
Es gibt eine ganze Reihe von Anbietern für Kanuverleih und Kahnfahrten im Ort, der insgesamt einer der nettesten Orte ist, die wir bislang gesehen haben.
Wir entscheiden uns für den Kahnfährmann Jörg Lehmann, denn der fährt garantiert um 12.45 Uhr ab und das passt prima. Wir haben Glück, das Boot ist relativ leer (etwa 12 Personen fahren mit) und Herr Lehmann ist kenntnisreich und weder albern noch launig noch geschwätzig. Einfach nur informativ. Hier seine Daten: Dammstraße 6 in 15910 Schlepzig, Tel.: 035472-239, www.kahnfahrten-schlepzig.de

Wir werden 2 Stunden lang durch die Wasserwelt der Spree gefahren. Das Wasser liegt fast wie ein Spiegel und die Fahrt erfolgt (bis auf eine kleine Passage mit einem leisen Außenborder-hier ist das Wasser zu tief) durch Staken.  Eine sehr ruhige Art des Gleitens, bei der kaum Wellen verursacht werden. Man sitzt im Kahn auf Gartenbänken vor Gartentischen mitsamt Kunstblumenarrangement. Herr Lehmann verkauft Getränke, die von hinten nach vorne durchgereicht werden. Er berichtet von den vielen Hundert Kähnen und 1000 Kanus , die in Lübben im Sommer am Wochenende unterwegs sind. Gut, dass es hier ruhiger zugeht und man nur gelegentlich andere Boote trifft. Auf manchen Kähnen haben sich auf den Tischen schon viele Unterwegs angesammelt. K

Wir erfahren, dass die Kahnschipperei erst nach der Wende touristisch genutzt wurde und vorher kaum nachgefragt war. Man hat offenbar recht früh erkannt, dass hier ein einzigartiger Lebensraum besteht, der geschützt werden muss und ähnlich einem Nationalpark ungeregelt geregelt werden muss. Inzwischen sind die ersten nach-der-Wende-Schleusen schon renovierungsbedürftig. Es gibt in der Saison viel zu wenig Gastronomie. Ein Wellnesshotel (Spreewaldresort seinerzeit) soll im Ort entstehen, aber der geplante Ausbau durch Aufstockung musste gestoppt werden, der Boden hält das Gewicht nicht. Stattdessen erfolgt ein Anbau. 80 Hochzeiten wurden schon gebucht. Aber bis Pfingsten hat man nur geschafft, eine Braustube mit Bierbrauen zu etablieren und das Restaurant, die Hotelzimmer sind noch nicht fertig, die Hochzeitsgäste mussten in Pensionen im Umland verteilt werden. Neben 1 Mio. zusätzlicher Baukosten, noch weitere Verluste also.

Auf der Wasseroberfläche laufen Wasserläufer umher, was auch sonst? Darüber schweben leuchtend blaue und smaragdgrüne Libellen , die zuweilen einen Paarungstanz aufführen. Wir sehen Enten und Widdschweinspuren, Strandlandestellen von Nutrias und mehr Biberbäume als im Greater Yellowstone oder in Kanada.  Wenn die Biber hier dicke Bäume in Angriff nehmen, dann werden zuweilen die Stämme gekappt, um den Bibern das Nagen weiter zu ermöglichen, ohne dass ihnen (oder den Kahntouristen und Fischern) ein Baum auf den Kopf fällt. Ein Ärgernis ist, dass die Biber manchmal nur herumnagen und dann lustlos den Baum stehen lassen und bei einem anderen anfangen. Lieblingsspeise sind Pappeln und Weiden. Da hier aber zunehmend Schwarzerlen am Ufer stehen, werden die nunmehr in Angriff genommen. Nur Eichen sind den Biberzähnen zu hart!
Wir sehen außerdem viele Ulmen, alte Eichen und Buchenbestände. Im Gegensatz zur sandigen Heide mit ihren Kiefern.  Wasserlilien, die im Mai blühen, haben jetzt dicke grüne Schoten , ein bisschen wie Paprika. Drüsiges Springkraut ist allerorten, Teichrosen und an ruhigen Stellen Seerosen.Wilder Hopfen wuchert. Im Wasser sieht man Gras, Fische und prinzipiell, aber nicht heute Ringelnattern ("Was ist eine Ringelratter, Oma?"). Die Wasserstraßen haben mit ihrem dschungelartigen Umfeld definitiv ein Amazonasfeeling, man könnte sich gut Papageiengekreisch und Krokodile vorstellen. (Gibt es die im Amazonas, ich glaube nicht, hier auch nicht).

Was wir auf alle Fälle auch noch entdecken wollten, ist uns gelungen: Störche! Störche in Nestern Störche auf dem Dachfirst oder Schornstein und Störche auf dem Feld. Tjorven wurde Storch-entdecken Spezialistin.

Ein Tag, an dem wir uns nicht wirklich viel selbst bewegt, aber viel gesehen haben. Auf dem Rückweg sind wir noch in der "Dorfscheune" eingekehrt, ich habe ein Schmalzbrot mit Spreewaldgurke gegessen und Tjorvi hat auf dem Spielplatz Ziegen und Trabi geguckt!

Tjorvi: "Ich sehe genau einen Schnabel." Stimmt!

Klapperstörche (haben geklappert)


Tjorven guckt, wie die Schleuse funktioniert

Biberschnitzerei

Über 2 Meter lange Welse leben im Wasser

Spreekanal

Gegenverkehr auf der Spree

Kreuzung

Verpflegungsstation für Kanuwanderer

blaue Libelle

Auf dem Kahn

Spiegelungen

Spiegelungen

Dschungel Unterer Spreewald

Polierter Kahn

Biberwerk

Blick nach hinten

Blick nach vorne

Verlassen seit 1989
Noch ein Storchennest

Tjorven und der Trabi

Spreewaldgurken

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