Samstag, 29. Februar 2020

Ein Herrenhaus und ein viktorianisches Seebad

Wir sind auf dem Rückweg von Cornwall nach Dover und wollen uns gerne einmal Bristol ansehen. Wir haben daher für zwei Nächte ein Zimmer im alten viktorianischen Seebad von Clevedon gebucht, unweit von Bristol und heute Schlafstatt für Pendler. In seinem "Heyday" war der bereits im Doomsday Book erwähnte,Ort als viktorianisches Seebad bekannt. Hier wurde der erste der vielen britischen Vergnügung-Piers gebaut. Anders als im benachbarten Weston-Super-Mare ist der Pier aber eher zum beschaulichen Flanieren gedacht, als zum Karussell und Achterbahn fahren.

Doch dazu morgen mehr. Bekannt wurde Clevedon übrigens auch noch, weil sich hier im 2. Weltkrieg eine Bakterienzuchtanlage befand, mit deren Hilfe Penicillin in größeren Mengen zur Verwendung in den Militärlazaretten hergestellt werden konnte.

Heute ist Clevedon  unser Tagesziel. Wir entscheiden uns auf dem Weg dort hin, noch das National Trust Haus Killerton zu besuchen, denn es ist auch im Winter geöffnet und es liegt strategisch gut für einen Mittagsimbiss unweit von Exeter.

In der Kurzbeschreibung der NT App heißt es, dass das Haus 1944 dem NT aus "politischen Gründen" übergeben wurde. Das klingt ungewöhnlich und daher interessant, schließlich sind die Erbschaftssteuern bzw. Unterhaltungskosten für gewöhnlich der Grund für eine Übertragung des Grundbesitzes an den National Trust.

Aber die Auflösung dieser Frage ist nicht unsere erste Priorität, statt dessen gehen wir in der folgenden Reihenfolge vor:
1. Toilette ( Ich weiß: Too much information)
2. Das Café im Stable Block
3. Garten und Park
4. Das Haus

Es gibt eine weitläufige Parklandschaft mit weitem Blick in das sanft gewellte Land, Viele, sehr alte Bäume , überall Osterglocken, Cyclamen, Schlüsselblumen, Krokusse, Primeln und Veilchen in der Wiese. Ab und zu ein Rhodie oder eine Magnolie.

Garten und Haus stammen aus georgianischer Zeit, das Haus wurde Ende der 1870er fertiggebaut.  Mit der Gartenanlage wurde John Veitch beauftragt, ein lokaler  Gärtner und Baumschulenbesitzer. Der  Garten wurde in der Tradition von Capability Brown als Landschaftsgarten angelegt , mit sich immer wieder neu öffnenden Blickachsen  und besonderen Hinguckern, wie ein Eishaus, eine Kapelle, redegedeckte Hütten und eine heute nicht mehr bestehende Orangerie.
1813  legte John Veitch  sein Unternehmen und damit auch die Geschicke des Gartens von Killerton  in die Hände seines Sohnes James. Unter dem jungen Veitch expandierte die Baumschule. James begann Pflanzenjäger in die weite Welt zu schicken, um interessante Samen aufzutreiben. 1832 stellte er  William und Thomas Lobb als Auszubildende ein. Später schickte er diese auf eine Weltreise um für die Baumschule interessante Pflanzen zu entdecken. und nach Killerton zu holen.

1853 brachte William Lobb den ersten Samen von Mammutbäume (Giant Sequoias) nach Großbritannien und damit auch nach Killerton. (https://www.nationaltrust.org.uk/features/how-the-giant-sequoia-came-to-england)
Einige Bäume stehen heute noch in einer Gruppe zusammen. Der Größte ist  in den etwa 120 Jahren 40 m hoch geworden und 2 m breit. Killerton hatte eines der ersten Arboreta in England  mit allein 100 verschiedenen Rhodies.

Es fehlt noch die Beantwortung der Frage, warum das Haus 1944 "aus politischen Gründen" an der National Trust ging. Ganz einfach, der Hausherr, Richard Aclant war zu dieser Zeit zum Kommunisten geworden. Ursprünglich war er Abgeordneter der Liberalen im britischen Parlament. Dann rückte er (viel) weiter nach links und gründete seine eigene Partei, die CommonWealth Partei. Um diese zu finanzieren, wollte er seinen immerhin (heute) 2.600 Ha großen Landbesitz gewinnbringend veräußern. Dies verstand seine Frau nicht, da hierdurch das Schicksal der Pächter in eine ungewisse Zukunft verkauft worden wäre, was sie außerordentlich unsozial fand. Der Streit bedrohte die Ehe. Sir Richard lenkte ein und man einigte sich, den Besitz dem National Trust zu übergeben, damit er wenigstens so der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte und auch für die Pächter gesorgt war.

Unser Hotel in Clevedon ist ein ziemlich in die Jahre gekommener Prachtbau direkt am Bristol Channel, heute ein 3-Sterne Best Western Hotel,Walton Park.  Ausgesucht, weil Armin lieber außerhalb von Bristol wohnen wollte. Dort war die "Rund um Bristol"- Auswahl eher gering. Es ist ein Time Warp Hotel. Als wie vor 20 Jahren in Clevedon mit den Kindern auf dem Weg nach Devon Pause gemacht haben ( nicht im Hotel, sondern in der Nähe des Piers und  nur zum Mittagessen und für einen kleinen Spaziergang) war die Einrichtung vermutlich schon genauso. Aber das Zimmer ist groß und hat einen Blick über den Bristol Channel, den breiten Sund zwischen Wales und Somerset/Devon und billig ist es auch. Um dieses Hotel auf einen modernen Stand zu bringen , müsste man richtig viel Geld in die Hand nehmen und vermutlich den Bau entkernen.

Zum Abendessen fahren wir dann doch lieber etwas weiter in den Ort und finden zwar zwei, drei Restaurants auf der Hauptstraße, dafür aber keine Parkplätze. Also versuchen wir es an der Seafront, da wo wir vor 20 Jahren Pause gemacht hatten. Dort ist nur ein Restaurant überhaupt offen, ein Italiener: "Il Giardina". Auch dieses Restaurant hat es damals schon gegeben, vielleicht waren wir sogar dort. Es wurde schon 1987 gegründet. Auch hier ist die Zeit ein bisschen stehen geblieben. Der italienische Inhaber hat ein wachsames Auge auf alles. Er achtet darauf, dass sein Servicepersonal den  Pfeffer aus der Mühle nicht vergisst, er kümmert sich um den Wein,  er filetiert Fisch gekonnt am Tisch. Als er uns beim Herausgehen im Vorraum ( dem zum im-Menu-blätten und Bestellen) verabschieden will, erzählt er uns noch schnell seine Lebensgeschichte. Wie er Ender der 50er Jahre ohne ein Wort englisch zu sprechen nach England kam, wie er in Bristol angefangen hatte, wie er die Frau seines Lebens kennenlernte, die mit machte, als er sich zunächst in Bristol selbständig machte , die verstand, dass er aus sich etwas machen wollte, die ihm 4 Kinder (7 Enkel) schenkte.
Sein Sohn Renato hat das Lokal übernommen, unser Padrone ist ein glücklicher Mann, der zufrieden ist mit dem gemeinsamen Lebensweg und  Lebenswerk, dem von ihm, Francesco Sormani, und seiner Frau Adriana.
https://www.il-giardino.co.uk

Abfahrt von unserem schönen Haus 



Killerton House

Magnolienblütenblätter, Primeln, "Daffs" und Krokusse

Bizarre Äste voller Moos

Osterglocken = Daffodils = "Daffs"

Magnolien

Alte Zeder

Killerton House

The Dairy

Osterglocken und viele alleinstehende Bäume

Eiche

So wird ein Teppich aus Stoffstreifen gefertigt

Krokusse

Noch ein Solitärbaum

Immer wieder Magnolien

Der Hausherr aus georgianischer Zeit, vielleicht ein Freund von Mr. Darcy
Der Baum hat viel erlebt und braucht jetzt eine Krücke

Blick in die Ferne

Parklandschaft

Garten Killerton Haus 



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